Schilddrüse

Die Schilddrüse ist eine hormonproduzierende Drüse, die sich am Hals unterhalb des Kehlkopfs vor der Luftröhre befindet. Ihre Form erinnert an einen Schmetterling. Sie besteht aus zwei Hälften, im Fachjargon Lappen genannt, und einer Gewebebrücke (Isthmus) vor der Luftröhre, welche die beiden Lappen vereinigt. Die Drüse produziert die Schilddrüsenhormone (Trijodthyronin und Thyroxin) sowie das Calcitonin. Schilddrüsenhormone enthalten Jod, und nur die Schilddrüse ist in der Lage, Jod im menschlichen Körper zu speichern.

Das Schilddrüsenhormon reguliert unseren Energiestoffwechsel und ist zentral für das Wachstum einzelner Zellen, aber auch des gesamten Organismus. Sowohl eine Unterfunktion (d. h. ein Mangel an Schilddrüsenhormon) als auch eine Überfunktion können Krankheitssymptome hervorrufen und müssen deshalb behandelt werden.

Für beide Störungen stehen heute wirksame Medikamente zur Verfügung. Das Calcitonin wird in speziellen Zellen der Schilddrüse, den sogenannten C-Zellen, produziert. Calcitonin ist der Gegenspieler zum Parathormon, das in den Nebenschilddrüsen gebildet wird. Die beiden Hormone regulieren den Kalzium- und Phosphathaushalt des Körpers und sind wichtig für den Knochenstoffwechsel, aber auch für die normale Funktion der Muskulatur. Calcitonin hat eine calciumsenkende Wirkung und senkt auch den Phosphatgehalt im Blut. Durch eine bösartige (maligne) Entartung der C-Zellen entsteht das C-Zellkarzinom (auch medulläres SD-Karzinom genannt).

Kropf

Die gutartige Vergrösserung der Schilddrüse, im deutschen Sprachraum auch als Kropf bezeichnet, ist ein weit verbreitetes Krankheitsbild. Es gibt verschiedene Ursachen für eine Vergrösserung. In vielen Ländern dieser Welt besteht in der Bevölkerung auch heute noch ein Jodmangel, was das Wachstum der Schilddrüse stark fördert. Dieser durch Jodmangel verursachte Kropf wird in der Schweiz durch die Jodierung des Kochsalzes verhindert (Zusatz von 20 bis 30 mg Jodid pro kg Kochsalz). Tritt ein Jodmangel in der Schwangerschaft auf, so kann dieser beim Neugeborenen zu schweren Entwicklungsstörungen führen, die früher als Kretinismus bezeichnet wurden.

Trotz der guten Jodversorgung in der Schweiz ist der Kropf hierzulande im internationalen Vergleich noch immer häufig. Dies führte zur Erkenntnis, dass bei der Kropfentstehung neben dem Jodmangel auch molekulargenetische und erbliche Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Diese Faktoren begünstigen die Entstehung von Knoten in der Schilddrüse, welche dann zu einer sichtbaren Vergrösserung der Schilddrüse als Ganzes führen können. Dabei können einzelne Schilddrüsenknoten sowohl vermehrt als auch vermindert Schilddrüsenhormone produzieren. Eine spezielle Form Knoten stellen Schilddrüsenzysten dar. Es handelt sich dabei um flüssigkeitsgefüllte Hohlräume, welche die Schilddrüse ebenfalls vergrössern können. Zysten in der Schilddrüse können heute interventionell behandelt werden. Grosse und mehrfache Zystenbildungen werden aber besser operativ behandelt.

Morbus Basedow

Morbus Basedow ist eine entzündliche Erkrankung der gesamten Schilddrüse, bei welcher körpereigene Eiweisse, sogenannte Antikörper, das eigene Schilddrüsengewebe stören und zu einer Hormonüberproduktion führen. Zu den Symptomen einer Überfunktion zählen Unruhe, Herzrasen, starkes Schwitzen, Schlaflosigkeit und – bei längerer Dauer – auch Gewichtsverlust. Neben einer medikamentösen Behandlung kommt beim Morbus Basedow auch die Bestrahlung durch radioaktives Jod und die operative Entfernung der gesamten Schilddrüse in Frage.

Hyperthyreose

Neben dem Morbus Basedow, der eine Überfunktion der gesamten Schilddrüse darstellt, unterscheiden wir auch lokalisierte Formen, die in einem oder mehreren Knoten ein Übermass an Hormonen produzieren. Diese Produktion kann vom Körper nicht mehr kontrolliert werden. Bei einem einzelnen Knoten mit Überfunktion (toxisches Adenom) kommen heute zwei Therapiemethoden in Frage: interventionelle Behandlungen wie z. B. die Zerstörung des Adenoms durch Punktion mit einer Ultraschall-gesteuerten, speziellen Sonde, die Hitze produziert. Alternativ kann ein Teil der Schilddrüse chirurgisch entfernt werden. Sind zahlreiche Knoten vorhanden, kann auch die komplette Entfernung der Schilddrüse angebracht sein.

Unterfunktion der Schilddrüse

Eine Unterfunktion der Schilddrüse wird heute mit Medikamenten behandelt. Zum Einsatz kommt synthetisches Schilddrüsenhormon, das chemisch mit dem körpereigenen Hormon identisch ist. Als Ursachen für eine Unterfunktion kommen chronische Entzündungsformen und Knotenbildungen (flüssigkeitsgefüllte Hohlräume) in Frage. Mit einem Hormonersatz in Tablettenform ist jedoch ein ganz normales Leben möglich.

Schilddrüsenkrebs

Die moderne Medizin hat verschiedene Karzinome der Schilddrüse charakterisiert – mit unterschiedlichen Eigenschaften und Therapieverfahren. Der Krebs der Schilddrüse steht je nach Geschlecht an 14. oder 15. Stelle der Häufigkeiten bösartiger Tumoren (Malignome).

Im Gegensatz zu vielen anderen Malignomen sind Schilddrüsen-Karzinome in der Regel gut behandelbar, sodass die meisten Patientinnen und Patienten mit einem Schilddrüsenkrebs heute geheilt werden können. Eine deutlich schlechtere Prognose weist das undifferenzierte (anaplastische) Schilddrüsen-Karzinom auf, welches aber zum Glück nur selten vorkommt.

Behandlungen

Die Entfernung der Schilddrüse steht bei nahezu allen Formen von Schilddrüsenkrebs im Vordergrund. Je nach Karzinomtyp und Stadium kommt bei jodspeichernden Karzinomen im Anschluss an die Operation noch eine Radiojod-Behandlung (Gabe von radioaktiv markiertem Jod) zur Anwendung. In Einzelfällen werden auch medikamentöse Behandlungen mit neueren Substanzen, welche sich zum Teil erst in der Zulassung befinden, durchgeführt.

Beim undifferenzierten Karzinom kommt in der Regel eine Kombination aus Operation, klassischer Bestrahlung und Chemotherapie zur Anwendung. Zur Verbesserung der Behandlungsergebnisse besprechen wir die Behandlung an sogenannten Tumorkonferenzen (Tumorboards). Diese Besprechungen unter Experten unterschiedlicher Fachrichtungen finden in der Regel in Abwesenheit der Patientinnen und Patienten statt und müssen nicht zwingend an deren Wohnort erfolgen.

Interventionelle Schilddrüsen-Behandlung

In den letzten Jahren wurden Sonden entwickelt, die gezielt Hitze applizieren können. Sie sind in der Lage, erkranktes Gewebe zu zerstören. Damit wurde eine Möglichkeit geschaffen, Schilddrüsenerkrankungen auch ohne Operation zu behandeln. Der betroffene Schilddrüsenabschnitt wird in lokaler Betäubung oder in Kurznarkose punktiert und durch spezielle Strahlenenergie (sog. Radiofrequenz-Ablation) gezielt zerstört. Kontrolliert wird der Prozess über Ultraschallbilder. Die Behandlung ist meist nur wenig schmerzhaft und erlaubt eine raschere Erholung im Vergleich zu einer Operation. Trotz dieser Vorteile bleibt die Behandlung nur einem Teil der Schilddrüsen-Erkrankten vorbehalten und geht wie eine Operation mit dem Risiko von Komplikationen einher.

Schilddrüsenoperationen

Die operative Therapie umfasst die komplette Entfernung der Schilddrüse (totale Thyreoidektomie) oder die einseitige Entfernung der betroffenen Seite mitsamt des Isthmus (schmale Gewebsbrücke der Schilddrüse) als sogenannte Hemithyreoidektomie. Die isolierte Entfernung von Knoten oder Zysten hat sich nicht durchgesetzt und wird kaum mehr angewandt.

Beim klassischen Vorgehen wird für die Operation ein nur vier bis fünf Zentimeter langer Hautschnitt am Hals notwendig, da die Haut der Halsregion sehr elastisch ist und über dem darunterliegenden Operationsgebiet verschoben werden kann. In der Mehrzahl der Fälle genügt dieser relativ kleine Hautschnitt, um auch relativ grosse Gewebeteile (Strumen) entfernen zu können.

Bei Schilddrüsen-Krebs kann zusätzlich zur Entfernung der Schilddrüse eine Entfernung des umliegenden Lymphknotengewebes angezeigt sein. Dies erfolgt mit dem Ziel, die Radikalität des Eingriffes zu erhöhen und das Tumorstadium besser bestimmen zu können.

Wir unterscheiden eine Ausräumung des zentralen Kompartiments (Bereich vor der Luftröhre bis zu den grossen Halsgefässen) und des lateralen Kompartiments (Bereich seitlich der grossen Halsgefässe). Da die Ausräumung des lateralen Kompartiments (Dissektion) selbst in erfahrenen Händen zusätzliche Risiken birgt und andererseits die Radiojod-Behandlung bei differenzierten Schilddrüsen-Karzinomen sehr gute Resultate zeigt, muss die Indikation zur Ausräumung des lateralen Kompartiments sorgfältig abgewogen werden.

Durch die Fortschritte der Technik und die Entwicklung neuer Operationsmethoden sind heute auch bei Schilddrüsen-Operationen endoskopische Verfahren möglich, die ohne Hautschnitt am Hals auskommen. Der Zugang erfolgt dabei entweder über den Mund, die Achselhöhle oder hinter dem Ohr. Weil diese Operationstechniken noch nicht so zahlreich durchgeführt wurden, sind die Auswahlkriterien für die in Frage kommenden Erkrankungen noch sehr streng.

Risiken

Noch vor hundert Jahren war die Schilddrüsen-Operation aufgrund zahlreicher Komplikationsmöglichkeiten eine gefürchtete Operation. Selbst in den routinierten Händen von Prof. Theodor Kocher in Bern, der als Schilddrüsen-Pionier gilt und dafür den Nobelpreis für Medizin erhielt, wiesen die Eingriffe an seiner Klinik des Berner Inselspitals eine nicht unbeträchtliche Sterblichkeit (Mortalität) auf.

Heutzutage gelten Schilddrüsen-Eingriffe, ausgeführt durch erfahrene Chirurgen, dank zahlreicher technischer und medizinischer Verbesserungen, als Routineeingriffe, die nur noch in wenigen Prozenten der Fälle operative Risiken bergen und kaum mehr eine Mortalität aufzeigen.

Prognose

Eine hohe Aufmerksamkeit wird heute dem Erhalt der Nebenschilddrüsen geschenkt. Diese regulieren durch das produzierte Parathormon (Nebenschilddrüsenhormon [PTH]) den Kalziumhaushalt im Körper. Durch die Verbesserungen der Chirurgie kommt es mehrheitlich nur zu einer vorübergehenden Funktionsstörung der Nebenschilddrüsen, die eine – meist kurzfristige – Substitution mit Kalzium und Vitamin D nötig machen kann. Demgegenüber wird ein bleibender Kalziummangel nach einer Schilddrüsen-Operation heute nur noch in ein bis zwei Prozent aller Fälle beobachtet.

Eine zweite Zielsetzung ist der Erhalt der Funktion des Stimmbandnervs. Heute gilt es als Standard, dass die Funktion des Stimmbandnervs während der Operation mittels eines elektrischen Prüfgeräts überwacht wird. Dadurch kann eine Nervenschädigung nach der Operation fast immer vermieden werden. Selten kommt es zu einer vorübergehenden Funktionsminderung in Form von Heiserkeit, welche sich jedoch in ca. 70 Prozent der Fälle wieder erholt.

Eine weitere Hauptgefahr der Schilddrüsen-Operation bestand früher im Risiko einer Nachblutung, wird doch die Schilddrüse durch zahlreiche feine Blutgefässe versorgt. Durch das obligate Tragen von Lupenbrillen und die Verwendung spezieller elektrischer Instrumente ist diese Gefahr heute weitgehend gebannt und Nachblutungen sind zur Seltenheit geworden.